Es hätte ja so schön werden können:
Die breite Parteibasis, statt wie sonst nur wenige Delegierte, darf über den Kurs der eigenen Partei mit abstimmen und wird gefragt, ob man (zwar zu zuvor ausgehandelten Bedingungen) in eine Regierungskoalition mit CDU/CSU gehen möchte.
Dieser bislang traurige einmalige Schritt in einer Parteiendemokratie ist zwar mehr als überfällig gewesen, zumal es im digitalen Zeitalter schon seit Längerem einfache Möglichkeiten zu Voten großer Menschgruppen wie auch Anlässe gegeben hat.
Ob daher die Parteispitze wirklich mal die Meinung aller Mitglieder hören wollte
oder aber ob man die Basis nicht in einer Schein-Abstimmung die Partizipation vorgaukeln wollte, da man im Wahlkampf schließlich gegen die CDU/CSU mobilisiert und eine nun gewählte Rot-Rot-Grüne-Regierungsmehrheit ausgeschlossen hat, ist mehr als fraglich.
Doch ist das, was die knapp 500.000 SPD-Mitglieder in diesen Tagen in ihren Postfächern finden können, wirklich die neue innerparteiliche demokratische Mitbestimmung á la SPD?
Der dreiseitiger Brief zum Großen-Koalition-Mitgliedervotum, mit einer
Seite ausschließlicher Auflistung vom "Erfolgspunkten" und einer 2/3
Seite voller Funktionärsunterschriften, fordert wiederholt dazu auf, mit
„JA“ zu stimmen:
"Deshalb empfehlen wir Dir, beim jetzt beginnenden
Mitgliedervotum mit JA zu stimmen. Und deshalb bitten wir, die
Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Schreibens (allsamt 34
Spitzenfunktionäre), Dich zugleich mit großem Ernst: Beteilige Dich am
heute beginnenden Mitgliedervotum."...
Ist man denn so frei in seiner Wahl, wenn man so einseitig-informiert abstimmen soll?
Nicht ohne Grund ist schließlich parteipolitische (und somit einseitige) Wahlwerbung auf offiziellen Wahlzetteln zu politischen Wahlen in Deutschland untersagt, Befangenheit und vor allem Beeinflussung würden drohen.
Diese Mündigkeit, sich unbefangen ein eigenes Bild zu machen, möchte die SPD-Führung ihren Mitgliedern offenbar nicht zugestehen, was einer bermerkenswerten Abkehr von demokratischen Grundsätzen gleichkommt.
Wer hier als Parteimitglied mit "Ja" votiert, entmündigt sich somit allein schon aus
demokratisch-formaler Sicht zum unmündigen "Abnicker" - für wahre
Sozialdemokraten ein unwürdiges Verfahren.